Hand aufs Herz. Ohne Smartphone geht heutzutage nichts mehr. Ich habe mein „Device“, wie man neudeutsch so schön sagt, eigentlich pausenlos bei mir. Zuhause, unterwegs und im Office. Und wenn ich es mal vergesse, fühle ich mich nackt. Es gehört schlicht und ergreifend „dazu“.
Wenn ich schlafe liegt es auf meinem Nachtisch. Es weckt mich, sagt mir, wie das Wetter wird, was terminlich ansteht und überhaupt ist es die Fernbedienung meines Lebens. Das macht vieles leichter, bringt aber auch seine Schattenseiten mit sich.
Ich kann mich erinnern, wie noch vor wenigen Jahren selbsternannte Social Media Berater in ihrer Bio schrieben: #alwayson. Heute ist das eigentlich alles andere als erstrebenswert. Ganz im Gegenteil, heute suchen nicht wenige den #DigitalDetox, also den Weg in die Unerreichbarkeit.
In meinem Blog „5 Dinge, die mir dabei helfen, Familie und Job unter einen Hut zu bekommen“ hatte ich schon mal geschrieben, dass auch ich versuche, das Handy „in den Griff zu bekommen“ und am Familiensonntag das Handy aus zu lassen. Soweit die Absichten.
Nun ist bei uns zu Hause so, dass unsere Töchter, die 4 und 8 Jahre alt sind, auch ganz gern mal mein Handy klauen, um zum Beispiel das neue Minions-Game zu zocken oder „Kinder YouTube“ zu schauen. Vor 2 Wochen, als der Frühling sich auch bei uns in Rostock an der See zum ersten mal durchsetzte, beschlossen wir jedenfalls auf unserem Hinterhof zu grillen.
K1 war nicht sehr amused darüber, dass ich das Handygaming untersagte und versuchte daher, mir mein Phone aus der Hand zu reißen. Und wie es die Gravitation nun mal will, flog das Ding in hohem Bogen runter und landete (natürlich) mit der Glasscheibe auf dem Boden. Bäääääm! Oder besser gesagt: Klirrrr!
Also nahm ich diesen „Unfall“ gleich mal zum Anlass für ein kleines Experiment: Eine Woche ohne Smartphone.
Solange gab ich mir jedenfalls bis ich ein neues Gerät besitzen würde. Diese 5 Dinge habe ich dabei gelernt:
1. Wir sind alle süchtig!
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen. Der Körper reagiert auf Notifications, Nachrichten und Likes wie auf eine Droge – und will immer mehr. Wir haben uns daran gewöhnt, dass diese Kommunikationsschleuder immer bei uns ist. Um so stranger fühlte sich Tag 1 für mich an, an dem ich morgens ohne den gewohnten Wecker des Handys, dafür aber von ganz allein aufwachte. Beim Frühstück checkte ich sonst gern nebenbei neue Pics bei Insta oder las News auf meinem Gerät. Jetzt hatte ich allerdings mehr Aufmerksamkeit für meine „Mitfrühstücker“: K1, K2 und die Herzdame.
Richtig seltsam fühlte ich mich, als ich ohne Handy das haus verließ. Normalerweise ist der gelernte Reflex dann ja:
Mist, ich muss nochmal zurück!
Doch bewusst wird einem diese Abhängigkeit erst, wenn man mal gar kein Handy hat, das man vergessen kann.
2. Wir brauchen das Ding eigentlich gar nicht 24/7.
Angekommen im Büro legte ich mein Handy sonst immer auf den Schreibtisch und checkte nochmal WhatsApp bevor ich den Rechner hochfuhr. Oft gab es noch eine Sprachnachricht von meiner Frau, die mich an diverse To Dos erinnerte, den Familienalltag betreffend. Nun war das anders. Ich fühlte mich ziemlich uninformiert, dachte dann aber:
Hey, meine Frau hat meine Festnetznummer und ich habe Mail + Facebook Messenger auf dem Desktop. So what?
Natürlich fielen da einige Koversationen mit Leuten flach, die sich wegen dem Datenskandal bei Facebook abgemeldet hatten und daher nur noch über WhatsApp erreichbar sind. (Hust). Aber damit konnte ich leben.
Ich hatte mit einmal gefühlt mehr Kontrolle über meine Kommunikation. Meine Notifications waren zwar schon seit längerem ausgestellt, aber trotzdem checkt man ja die üblichen verdächtigen Apps regelmäßig, und prüft ob es was Neues gibt. Eben weil es tatsächlich dauernd was Neues gibt. Und das noch nicht mal privat. Viele Firmen und Netzwerk-Partner nutzen eben mittlerweile auch lieber den Messenger als die klassische Mail, so dass mein privates Handy manchmal eher ein Diensthandy ist. Zu meinem Erstaunen ging es aber auch sehr gut ohne.
Nach der Arbeit stand ich beim Supermarkt in der Schlange – und hatte mit einmal Zeit, die Sonderangebote zu lesen, die mich nicht interessierten, anstatt den nächsten unnötigen Swarm-Checkin zu tätigen. Und siehe da, nach ein paar Tagen hatte ich mich daran gewöhnt, kommunikationsfreie Zeiten zu haben – und das war irgendwie entspannend. Inseln der Ruhe, wenn man so will. Und organisiert bekam ich eigentlich auch alles in der restlichen Zeit.
3. Um Gewohnheiten zu verändern ist ein Cut manchmal ganz gut.
Natürlich schaute ich mich am zweiten Tag dann auch langsam nach einem neuen Handy um. Meine Schwester war so nett und bot mir ihr altes Handy an, doch ich betrachtete es als kleine Challenge und wollte mal wissen, wie ich zurecht kommen würde. Außerdem erinnerte ich mich an die Worte meiner Frau:
„Du klebst immer nur am Handy – auch wenn wir mit den Kindern unterwegs sind.“
Recht hatte sie. Und mir fiel es ehrlich gesagt auch gar nicht mehr auf. Hier eine kleine Instastory, da ein Facebook-Post, zwischendurch noch ein Tweet und der eine oder andere Kommentar bei LinkedIn. Es wird ja nicht weniger mit dieser ganzen Social Media-Sache, wenn man dann auch noch Hobbys wie 12min.me, Daddymodus und „Gangster Rap“ hat. Da die sozialen Medien aber leider „Ablenker Nummer 1“ sind, wenn man arbeitet oder mit der Familie unterwegs ist, dann ist ein Runterfahren gar nicht so doof.
Nur bekam ich das bisher nie ohne weiteres hin. Diesen Anlass mit dem geschrotteten Phone galt es also gleich mal zu nutzen. So als ob mir meine letzte Packung Kippen in die Ostsee gefallen wäre.
4. Man kann der Reizüberflutung nur Herr werden, wenn man sie reduziert.
Klingt super einfach, ist es aber für mich nie gewesen. Ich war, was Handynutzung angeht nie der Minimalist. Hunderte Fotos und fast genauso soviel Apps, zig permanent parallel laufende Chats. Ein Wahnsinn eigentlich. Dazu kommt natürlich auch die schlechte Angewohnheit, noch abends im Bett auf das Ding zu glotzen und den Tag eben auch mit dem Griff zum Nachttisch zu beginnen. Da prasseln die Infos ja nur so auf einen ein – von allen Seiten.
Wenn ich nur an die unsäglichen WhatsApp-Gruppen denke. Zum Beispiel die von den Eltern der 2. Klasse von K1. Da macht man morgens das Handy an und zack:
85 ungelesene Nachrichten.
Wahrscheinlich hat Nokia daher auch kürzlich den Klassiker-Knochen neu aufgelegt. Das 3310 verspricht den Rückzug zur Essenz. Geworben wird mit den Verkaufsargumenten der guten, alten Zeit: 1 Monat Akku, Snake und dank SMS immer erreichbar. Vielleicht reicht das ja.
5. Ich kann mir ein Leben ohne Handy nicht mehr vorstellen.
Meine Großeltern waren bis vor wenigen Monaten die einzigen Menschen, die ich kenne, die kein Handy haben. Doch auch das ist jetzt vorbei, weil der praktische Vorteil, aus dem Garten anrufen zu können, am Ende überzeugte. Klar, es ging bisher auch ohne. Aber ist das nicht mit fast allen Technologien im Zeitalter der Digitalisierung so?
Früher hat man aus dem Fenster geschaut, um zu gucken was man den Kindern anzieht. Man hat Karten gelesen, wenn man im vollgepackten Auto in den Urlaub gefahren ist – und man konnte sich sogar noch (halbwegs) orientieren. Man schrieb Briefe, auf echtem Papier. Man saß abends zusammen vor dem Fernseher und schaute „Wetten Dass“. Hach.
Heute sitzt man abends nebeneinander auf der Couch und jeder glotzt in das Gerät, das so eine magnetische Anziehungskraft auf uns hat, wie nichts vorher in der Geschichte der Menschheit. Umfragen zufolge würden die Menschen eher auf Sex verzichten als auf ihr Handy. Ist das nicht krank?
Die Fernbedienung unseres Lebens sagt uns, wie schnell wir gejoggt sind, welche Filme neu bei Netflix am Start sind und wie wir meditieren sollten. Ein Leben ohne Smartphone ist fast undenkbar geworden, weil es uns das Leben so bequem macht. Wir haben quasi das gesammelte Wissen unserer Spezies immer in unserer Hosentasche.
Unsere Kinder lernen, dass man Siri, Google und Alexa fragt, wenn man etwas wissen möchte. Dieses Gerät ist fester Bestandteil unseres Lebens und auch ich möchte es nicht mehr missen. Die Frage ist nur, wie man es nutzt.
Fazit
In meiner Woche ohne Handy wurde mir nochmal deutlich, wie wichtig es ist, sich selbst zu hinterfragen. Nennt es Entschleunigung, nennt es Detox. Man muss sich wahrscheinlich echt manchmal dazu zwingen, etwas anders zu machen. Die digitale Komfortzone zu verlassen.
Freunde von mir, die zum Beispiel vor Ostern fasten, berichten ja davon, dass man anschließend reflektierter und bewusster an die Sache rangeht. Ich kann es jedenfalls nur empfehlen, mal eine Woche OHNE zu leben. Es bringt einen nicht um, man muss nur alles etwas umorganisieren.
Mittlerweile habe ich wieder ein „Device“ und versuche wirklich, mich nicht mehr so sehr davon abhängig zu machen. Und vielleicht habt ihr ja auch einen guten Anlass, mal Abstand zu nehmen. Spätestens, wenn ein kleines Kind euer iPhone oder Samsung in die Hände bekommt und euch „die Spiderapp“ raufzieht 😉
Nun würde ich gern eure Meinung wissen. Wie nutzt ihr euer Handy? Habt ihr vielleicht handyfreie Tage? Und könnt ihr euch noch vorstellen, ohne Smartphone zu leben?
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