Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich habe das Gefühl, zu einer aussterbenden Spezies zu gehören. Ich bin Anfang 30, glücklich verheiratet und habe zwei Kinder – und das sogar mit der selben Frau. Verrückt oder? So schön ich dieses Leben auch finde, so oft erlebe ich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis Singles und Paare, die keine Kids haben wollen. Schließlich gibt es einige gute Gründe dafür, „allein“ zu bleiben.
Der Karrieremensch sagt: Wie kann man in dieser unsicheren Zeit, in der niemand mehr weiß, wo oder für wen er oder sie in 5 Jahren arbeitet, nur daran denken, Kinder zu bekommen? Die Zeit für ein Kind hätte ich in meinem Job gar nicht.
Der Sparfuchs sagt: Wie soll man sich angesichts steigender Kosten überhaupt noch Kinder leisten können? Das bißchen Kindergeld reicht doch vorne und hinten nicht. Vielleicht kann man sich einschränken bei einem Kind, aber 2 Kinder? Geht gar nicht.
Der Individualist sagt: Warum soll man sich überhaupt noch festlegen und Kinder bekommen, wenn man ansonsten viel flexibler ist? Kinder binden dich und die Welt steht dir mit einmal nicht mehr offen. Außerdem hat man kaum noch Zeit für sich und seine Freunde. Warum soll man sich schreiende Babys und schlaflose Nächte antun, wenn man doch in Ruhe zuhause ein Buch lesen und ab und zu mit der Nichte spielen kann?
Versteht mich nicht falsch, ich habe grundsätzlich kein Problem mit der Einstellung, kinderlos bleiben zu wollen. Muss ja jeder selber wissen. Ich habe nur manchmal den Eindruck, dass es da einige Missverständnisse und Vorurteile gibt. Daher möchte ich heute mal beschreiben, was es für mich bedeutet, Vater zu sein.
Wir arbeiten noch am Timing 😉 #daddymodus pic.twitter.com/sgEzRqBBZM
— Gabriel Rath (@gabrealness) 31. August 2013
Ich bin in den 80ern und 90ern mit zwei Geschwistern aufgewachsen und dachte früher immer, dass ich auch gerne mal 3 Kids hätte. Irgendwann mal. Als dann allerdings 2009 unsere erste Tochter geboren wurde und uns nächtelang zeigte, wie kräftig ihre Stimmbänder ausgeprägt sind, erklärten wir die Familienplanung erst einmal für abgeschlossen. Erst als die Kleine nach 2 Jahren aus dem Gröbsten raus war, konnten wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass Töchterchen noch ein Geschwisterchen bekommen würde. Und da der Altersunterschied auch nicht all zu groß werden sollte, ging`s dann auch schon wieder in die „Produktion“. Heute sind wir zu viert und ich bin Gott sehr dankbar dafür, zwei gesunde und muntere Kids zu haben, die unser Leben unglaublich bereichern. Man muss ehrlicherweise dazu sagen, dass die oben beschriebenen Zweifler nicht ganz unrecht haben.
Natürlich weiß man nicht, wie es in 5 Jahren beruflich aussieht. Man nimmt diese Herausforderung aber an und sagt sich „Wir packen das.“ Natürlich dreht sich das Leben anschließend nicht mehr um den Job. Aber das ist die beste Erfahrung die man machen kann, wenn man in einem Hamsterrad gefangen ist, das von innen aussieht wie eine Karriereleiter. Natürlich kosten Kinder sehr viel Geld und Zeit. Aber in Gutes sollte man investieren, oder? Natürlich muss man gerade in der Anfangszeit auf Vieles verzichten, aber auch diese Erfahrung, sich selbst zurückzunehmen, kann sehr heilsam sein in einer Welt, in der jeder darum kämpft, sich offensiv als Marke zu positionieren. Social Media dies das.
Es ist kein Geheimnis, dass unser Leben nun seit fast 5 Jahren komplett anders verläuft, als das von vielen unserer Freunde. Wir sind logischerweise nicht mehr so spontan und überlegen uns Freitag Abends um 22 Uhr nicht mehr ganz so häufig, wo wir nachts abstürzen wollen. Partys fallen deswegen aber nicht komplett aus dem Alltag, man muss sich nur um einen Babysitter kümmern. Alles wird organisierter.
Kindererziehung 2.0 🙂 pic.twitter.com/ZtqywTByKs #daddymodus
— Gabriel Rath (@gabrealness) 8. Mai 2014
Wir schlafen auch nicht mehr beide aus bis in die Puppen, weil die Kids nun mal leidenschaftliche Frühaufsteher sind. Ich hoffe, das ändert sich noch in ein paar Jahren, aber bis dahin ist mein Biorhythmus sicher schon irreparabel auf das Frühaufstehen vorprogrammiert. Also strukturiert man seinen Tag als Vater um, wie Kollege Nico Lumma neulich auch in seinem Blog beschrieb. Das hat auch seine Vorteile.
Man muss tatsächlich improvisieren, sich die Zeit richtig einteilen. Und man muss generell mit weniger Schlaf auskommen – gerade in den ersten Monaten, wenn Baby gerne mal öfter nachts wach wird. Auch mal schreiend. Ich habe mal gelesen, Schlafentzug ist eine Foltermethode, die sogar von der CIA in Guantanamo eingesetzt wurde. Sagen wir mal so, man lernt den Mittagsschlaf mit dem Kind zu lieben, auch wenn man das so wie ich vorher nie gemacht hat.
Kinder 1/2 schläft. Es kann sich also nur noch um Stunden handeln. #daddymodus
— Gabriel Rath (@gabrealness) 26. Mai 2014
Man muss starke Nerven haben und lernt Geduld ganz neu kennen, wenn Kinder Abends nicht einschlafen können oder wollen. Gerade bei zwei Kindern kann das ganz schön tricky sein. Natürlich muss ich ehrlich sein und zugeben, dass ich das „alte Leben“ manchmal auch vermisse. Oder sagen wir mal, Teile davon. Diese Spontanität, dieses „Ich-kann-jetzt-machen-was-ich-will-Gefühl“. Aber tauschen möchte ich trotzdem nicht wieder.
Es gibt einfach nichts Größeres als den eigenen Kindern in die Augen zu schauen. Oder zu hören wie sie lachen. Zu sehen wie sie nachts schlafen. Zu erleben wie sie laufen lernen. Oder wenn sie irgendwann dieses schöne Wörtchen „NEIN“ entdecken. Das ist schon ziemlich großes Kino und man muss es einfach selbst erleben. Ich war ja bei beiden Kindern bei der Geburt dabei und kann nur sagen: mehr geht nicht! Da kommt ein neuer Mensch auf die Welt, den es bisher einfach noch gar nicht gab. Und jetzt ist man auf einmal für das Leben dieses Menschen verantwortlich. Das macht was mit Einem. Schwer zu beschreiben, aber es ist was ganz, ganz Großes. Es stellt das bisherige Leben komplett auf den Kopf. Es beginnt ein Leben weit außerhalb der „Comfort Zone“. Aber nur außerhalb geschehen ja bekanntlich die wirklich wichtigen Dinge, oder?
Kind 2 soll schlafen, liegt schon im Bett und singt „Atemlos durch die Nacht“. Ich muss jetzt stark sein. #daddymodus
— Gabriel Rath (@gabrealness) 26. Mai 2014
Alles wird anders. Mit einmal hält man sich auffallend oft in Drogerien auf, weiß alles über Babybrei und Windelgrößen und schreibt sich Dinge wie „U4“ in den Kalender. Und ich meine nicht die U-Bahn-Linie. Man hat plötzlich so gar keinen Plan mehr von weltpolitischen Ereignissen, was angesichts der Tatsache, dass man sich auf das Wesentliche konzentrieren muss, auch irgendwie nicht schlimm ist.
Zu den schönen Seiten gehört auch, dass man seine eigene Kindheit nochmal aufleben lassen kann. Mit Lego und Höhlen bauen und allem drum und dran. Und man freut sich wieder an den einfachen Dingen. Spielen im Park. Frische Luft. Natur. Man lernt, sich selbst weniger wichtig zu nehmen. Man zwingt sich selbst, eine gesunde Work-Life-Balance anzustreben, um die Kinder zu sehen und für sie da zu sein.
Ich frage mich auch oft wie meine Eltern das gemacht haben. Ich meine, wir waren früher zu fünft. Das ist schon irgendwie krass. Und mein Vater war zwischendurch noch 2 Jahre bei der Armee. Aber es geht dann irgendwie alles, weil es muss. Im Januar 2013 bloggte ich hier darüber, worauf ich mich im Jahr 2013 freue. Darin schrieb ich: „Man staunt über das Leben, weil man lernt, es mit den Augen eines Kindes zu sehen. Ohne Schubladen. Einfach so. Ohne Hintergedanken. Man lebt den Moment. Ganzheitlich.“ Ich kann daher nur jedem raten: bekommt Kinder! Es muss nicht mit 18 sein. Vorher dürft ihr gerne feiern und reisen. Aber dann.
Espresso Macchiato für Papi. Mütze Schlaf für Baby 😉 #Daddymodus pic.twitter.com/hrgWbLWqSt
— Gabriel Rath (@gabrealness) 8. Februar 2014
Fazit: Ja, das alte Leben endet mit der Geburt des ersten Kindes. Da sollte man gar nicht groß drum herum reden. Was ab dann passiert ist definitiv ein ganz anderes Level. Es beginnt eine tolle Zeit, die man allerdings erst step by step richtig lieben lernt. Ich mache ja zum Beispiel immer noch Musik, wenn auch nicht mehr so viel wie früher. Ich kann allerdings meine Texte erst Abends schreiben, wenn die Kids schlafen. Dann aber auch eher mit Kopfhörern. Ist anders, geht aber auch. Man merkt, dass man sich auf die Situation einstellen kann. Und dann kann man eben auch noch Sachen machen wie ein Album raus zu bringen. Oder bloggen. Nicht öfter als vorher, aber vielleicht besser 😉
Töchterchen und ich. #daddymodus pic.twitter.com/PXFNhldNsy
— Gabriel Rath (@gabrealness) 13. April 2014
Das bekannte Daddyblog „Daddylicious“ hat kürzlich mal junge Väter gefragt, was es ihnen eigentlich bedeutet Vater zu sein. Dieses Video ist nicht nur für Eltern sehenswert, sondern auch für alle die es interessiert, wie es denn nun eigentlich wirklich ist, ein Kind zu haben. Kann man tatsächlich nicht mehr weggehen oder ausschlafen? Kann man keine Freundschaften mehr haben? Ist das alte Leben dann zu Ende? Ich kann nur sagen, die Daddys hier sagen wie´s ist. Ein schöner Zusammenschnitt von Filmemacher Arthur Heisler.
http://vimeohttp://vimeo.com/96638118
Wie sind eure Erfahrungen? Was bedeutet es euch, Kids zu haben? Freue mich über eure Kommentare.
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