Ein lauer Sommerabend. Oma hat Geburtstag. Man sitzt wieder einmal mit der ganzen Familie im Garten und grillt ein paar Steaks. Rind, Schwein, Tofu. Was man eben so isst in 2014. Man unterhält sich. Über die Hitze, die man „ja gar nicht mehr gewöhnt ist“ und über die Fußball-WM, die „irgendwie noch länger hätte dauern können“. Irgendwann, nach dem zweiten Bierchen, spricht man auch über den Job.
Natürlich muss man die richtigen Fragen stellen, um nicht mit Plattitüden abgespeist zu werden. Im Laufe des Gesprächs kristallisieren sich zwei Gruppen heraus: Die Angestellten und die Selbständigen. Während eine der beiden Gruppen entspannt am Kaltgetränk nippt, beklagt sich die andere über die „schwere Bürde“, die man zu tragen habe. Ich möchte wissen was da los ist.
Bevor ich mich auf einer Familienfeier über das Grillfleisch unterhalte schnacke ich mit meinen Onkel oder meinem Schwager doch lieber über deren Geschäfte. So vielfältig wie die Geschäftsmodelle dabei auch sind – so spannend finde ich die Herangehensweise. Was macht das Unternehmersein für sie aus? Was lieben sie daran? Was hassen sie daran? Würden sie auch empfehlen zu gründen? Schließlich ist der Erfolg des eigenen Geschäfts neben der Idee und der Umsetzung ja auch von der eigenen Leidenschaft für das Business abhängig.
Tatsächlich höre ich aber nur Monologe über die Probleme, die man als Unternehmer hat.
„Man weiß nie, ob ein Mitarbeiter krank wird. Und wenn ja, dann stehst du doof da.“
„Wenn dein Kunde nicht zahlt, dann geht dir ganz schnell der Arsch auf Glatteis.“ „Wenn du Kinder hast, denk nicht mal dran.“
„Du hast am Ende des Monats fast nur noch Abgaben zu leisten.““Seit ich selbständig bin, war ich nicht mehr im Urlaub.“
„Ich bin letztes Jahr fast pleite gewesen, da konnte ich kein Auge mehr zu tun.“
Und und und. Horrorgeschichten, an denen sicher auch Wahres dran ist. Aber ist das die ganze Wahrheit? Es klingt alles so furchtbar, dass ich nachfragen muß, warum sie nicht wieder als Angestellte arbeiten. Haben sie es bereut, gegründet zu haben?
You have 3 choices in life. You can watch things happen, make things happen and wonder what the hell happened. #startup #quote
— Mehar Bhagat (@MeharBhagat) 19. Juli 2014
Natürlich weiß ich, dass man als Gründer mehr arbeitet als in vielen 9-to-5-Jobs und dass man sich auf ein dünnes Eis begibt, ein Risiko eingeht. Es ist sicher, dass nichts sicher ist – ist alles klar. Aber hey, wer von uns weiß schon wo er oder sie in 5 Jahren arbeitet? Eben. Was ist also mit den vermeintlichen „Vorteilen“ der Selbständigkeit? Was ist mit Selbstbestimmung? Flexibilität? Eventuell höheres Einkommen? Die werden gar nicht angesprochen – jedenfalls nicht bei unserem Grillabend.
Die Bedenkenträger in Deutschland meckern auf hohem Niveau. Über den Staat, über die Kunden und über die Konkurrenz. Man hat´s eben nicht leicht. Und überhaupt, was ist wenn man scheitern sollte? Dann ist man ruiniert. Für wer weiß wie lange. Dann doch lieber eine Beamtenlaufbahn. Oder?
Tatsächlich führt das „Grummeln“ vieler deutscher Unternehmer nicht gerade dazu, dass Leute wie ich Appetit darauf bekommen, selbst zu gründen. Ganz im Gegenteil. Es ist fast schon so, als wollten einen die älteren Unternehmer davor warnen zu gründen. Frei nach dem Motto: Du hast doch einen Job. Behalt den bloß. Sicher ist sicher.
„In kaum einem anderen Land der Welt ist das Interesse, sich selbstständig zu machen, so gering wie in Deutschland.Nur gut jeder vierte Bundesbürger kann sich vorstellen, diesen Schritt zu gehen. In den USA oder in den Niederlanden liegt dieser Anteil bei rund 40 Prozent, und sogar jeder zweite Australier sieht in der Existenzgründung eine Option für sich, wie eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK im Auftrag des amerikanischen Direktvertriebsunternehmens Amway in 24 Ländern zeigt.“ („Die deutsche Angst vor der Selbstständigkeit“, Die WELT)
So sieht es leider oft in Deutschland aus. Die Selbständigen beklagen sich breit über ihre Probleme und schwärmen von den Vorteilen, die man als Angestellter hat. Der Staat wolle zu viele Steuern, mache es einem unnötig schwer usw. Wenn man dann noch als zweifacher Familienvater laut überlegt, sich prinzipiell vorstellen zu können, irgendwann mal zu gründen, dann wird man schnell als weltfremder Typ dargestellt.
Zuspruch bekommt man erst wenn man als Single ohne Kinder gründet, 100.000 Euro auf der hohen Kante hat und im Grunde gar kein Risiko mehr eingehen muß. Doch warum sind wir Deutschen so risikoängstlich. Warum diese große Angst vor dem Scheitern? Geht es um die Schulden? Sicher auch. Aber mehr geht es wohl um den vermeintlichen Gesichtsverlust. Martin Weigert schreibt dazu im Netzwertig-Blog:
„… in Deutschland und vielen Nachbarländern herrscht genau die gegenteilige Situation: Es wird zu wenig gegründet, zu wenig auf eigene Faust vorangetrieben. Leute, die sich an entscheidenden Momenten ihrer Karriere befinden, erhalten nie oder zu selten den Ratschlag, unter die Gründer zu gehen. Wer trotzdem den Pfad der Entrepreneurship einschlägt, tut dies in der Regel ohne externe Ermunterung; im schlimmsten Fall sogar unter missbilligenden Blicken von Familie, Lebenspartnern und Freunden. Diese hätte einen doch bevorzugt in einer “vernünftigen Anstellung” gesehen.“
Ich weiß nicht wie es euch geht, aber mich reizt der Gedanke, irgendwann was eigenes zu machen. Der eigene Chef zu sein, ein Business aufzubauen und Entscheidungen zu treffen, für die man schlussendlich alleine verantwortlich ist. Etwas aus dem Boden zu stampfen, das es so noch nicht gab. Ein Team aufzubauen und zu formen. Ich habe bereits einige Ideen, aber ich bin natürlich nicht so naiv, „einfach mal loszulaufen“. Erfolgsentscheidend sind am Ende auch die Rahmenbedingungen und das Timing. Bis es also soweit ist, lerne ich von anderen Gründern und Startups und versuche Erfolgsrezepte zu verstehen.
Im Juli 2013, als ich noch für das Startup Unitask arbeitete und wir das Website-Projekt HYPEZEIT entwickelten und vermarkteten, schreib ich dazu den Blogpost: The startup kids. Du musst erst scheitern, um Erfolg zu haben. In dieser Zeit habe ich viel gelernt. Über Angestellte, Gründer und Kunden. Und über uns Deutsche, die scheinbar lieber sitzen bleiben als aufzustehen. Hinfallen gehört allerdings für mich dazu. Entscheident ist, dass man wieder aufsteht. Darin waren sich übrigens auch auf unserer Grillfeier alle einig, denn bereut hatte es niemand gegründet zu haben.
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Wie seht ihr das Thema Existenzgründung in Deutschland? Schreibt mir eure Meinung in die Kommentare.
Weitere Blogposts von mir zum Thema:
- Fear gewinnt. Do one thing everyday that scares you.
- 10 Argumente warum man als Gründer nicht auf Social Media verzichten sollte.
- The Startup Kids. Über den Reiz, es als Underdog zu schaffen.
- 9 Businesses. Lieber glorreich scheitern, als schäbig siegen.
- The start-up of you. Die 3 Erfolgsgeheimnisse von LinkedIn-Gründer Reid Hoffman.
Hi! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Gründer mit einer guten Idee gepusht werden, wenn das Engagement stimmt. Natürlich ist der Eigenanteil enorm! Allerdings frage ich dich, was ist schöner als rundum die Uhr das zu machen, was du liebst und es als Arbeit bezeichnen zu dürfen? Natürlich ist das nicht in jeder Selbstständigkeit der Fall…ABER…es ist immer das, was man selbst draus macht. Realismus, Optimismus und Humor!
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Danke für deinen Kommentar. Ich sehe es genau so wie du. Und Optimismus und Humor gehören definitv dazu 😉 Vielleicht sind diese beiden Dinge allerdings vielen Deutschen eher fremd?
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Wir sind das beste Gegenbeispiel. Geben wir den Deutschen ein bisschen mehr Zeit…richtige Europäer zu werden.
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Humorvoll, fröhlich, glücklich, mit ganz viel Elan gründen… Yeah, das klingt doch toll. Harhar..
Nein, das Problem ist nicht deutsche Angst, sondern der hierzulande extrem schlecht bewertete Liberalismus.
Liberalismus, Selbstständigkeit, das aus sich selbst heraus bestimmte Handeln an und für sich wird hierzulande schlecht bewertet.
Warum nur? Wir sollten es nach all dem, was in den letzten Jahrhunderten so passiert ist, doch sehr viel besser wissen.
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Unsere Branche bietet doch die besten Möglichkeiten sich selbständig zu machen!
Ich selber habe es damals mit zwei kleinen Kindern und als Alleinernährer gemacht und vor allem ohne es groß vorzubereiten. Aber sein eigener Chef sein, keinen über sich, auf den man meckern kann oder verantwortlich machen kann, die Freiheit mir die Arbeit einigermaßen so einteilen zu können, wie ich das möchte und nicht irgendwelche Bürozeiten einhalten zu müssen und vor allem für Leistung und nicht für Anwesenheit belohnt zu werden… das ist gut!
Aber du hast Recht. Ich wohne in einem „gesetzteren“ Umfeld und hier wird die (vermeintliche) Sicherheit einer Festanstellung groß geschrieben. Aber ich empfinde es so, dass dies genau diejenigen sind, die sich am lautesten über ihre Arbeit beschweren und jede Woche den Freitag kaum abwarten können, während ich denke „Mist, schon wieder eine Woche rum“ …
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Mein Name ist Peter Schneider und ich bin seit vielen Jahren selbstständig.
Ich glaube nicht, dass man so ganz allgemein sagen kann, DIE DEUTSCHEN sind so.
Und ob mir eine amway Umfrage, denn als Datenlieferant reicht???
Das Thema ist viel vielschichtiger.was muss sich der Gründer fragen??
Was ist meine Mission?
wie und wo kann ich diese umsetzen / erreichen?
Erst wenn ich diese Frage geklärt
habe, kommt die Frage nach der Selbstständigkeit
Selbstständigkeit ist keine Qualität per se.
Viele Grüße
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