Vorab: Es war der schrecklichste Moment, den ich in den letzten Jahren erleben musste. Aber der Reihe nach.
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Anfang August 2025. Wir stehen mit unseren drei Kindern am Berliner Flughafen in der Schlange, um das GepÀck abzugeben. Gleich geht es los und wir fliegen endlich in den Urlaub. Nach anstrengenden und dunklen Monaten, die von vielen mentalen Krisen geprÀgt waren.
Im letzten Sommer wollten wir nach Ăsterreich, mussten aber dann last minute den Urlaub absagen, da der mentale Zustand einer Tochter es einfach nicht zulieĂ. Und ein Jahr ohne Urlaub, ohne Highlight, auf das man sich gemeinsam freut und an das man sich gemeinsam zurĂŒck erinnern kann – das haut richtig rein. Das tut weh.Â
Jetzt aber der Anflug ins Warme, oder besser gesagt ins HeiĂe. Nach Tunesien. Von mir aus hĂ€tten es auch die Balearen sein können, aber fĂŒr eine Woche legt man bei einer Family, und die GroĂe zĂ€hlt abrechnungstechnisch als Erwachsene, mehr hin als eine Einzelpersonen fĂŒr ein halbes Jahr Backpacking in Australien. True story.
Hauptsache Sonne, hatten wir gesagt. Unsere letzten Urlaube in DĂ€nemark, auf der Insel RĂŒgen und auf der Mecklenburgischen Seenplatte waren leider sehr verregnet. und wer schon mal drei Tage mit drei Kindern bei Schietwetter in der Ferienwohnung festsaĂ, weiĂ, was ich meine.
Wir stehen also in der Schlange am fĂŒr uns noch neuen Airport BER und werden an den Schalter gerufen. In weniger als zwei Stunden werden wir in der Luft sein, schauen relaxt in die Wolken und atmen endlich auf.
Ich habe die TĂŒte mit unseren ReisepĂ€ssen in der Hand. Die Schalterdame mit dem strengen Blick winkt uns zu ihrem Schalter. Wir schieben uns mit unseren prall gefĂŒllten Koffern zu ihr. Ich greife in die TĂŒte, hole die PĂ€sse raus und merke:
Hier stimmt was nicht!
Es sind nur vier PĂ€sse da!!!

Moment mal.
Ganz ruhig jetzt.Â
Nochmal durchzÀhlen.
Vielleicht steckt ein Pass ja in einem anderen?
Aber nein. Es sind wirklich nur vier da. Ich versuche, die in mir aufsteigende Panik wegzulĂ€cheln. Die Kinder schauen mich an. Meine Frau ebenfalls. Und die spaĂbefreite Schalterdame auch.
Ich fange an zu schwitzen. Schaue zu meiner Frau.
„Alles gut, Schatz?“ fragt sie mich vorsichtig. Ich sage nichts.
Er muss doch irgendwo sein. Ich hatte safe alles eingepackt und mehrfach gecheckt. Vielleicht ist er im Hinterfach meiner Bauchtasche?
Fehlanzeige!
Ich stehe unter Schock. Schaue mir die vier Dokumente an. Es fehlt einfach der verdammte Reisepass meiner Frau.
Aber wie kann das sein?
Ist er rausgerutscht?
Mein Puls pumpt. Mir wird schlecht.
Die Kinder schauen mich mit groĂen Augen an: „Alles gut, Papa?“
Nein, gar nichts ist gut. Aber das sage ich ihnen noch nicht.
Am Schalter spreche ich aufgelöst mit der Dame, versuche ihr unser Problem zu erklÀren und deute hoffnungsvoll darauf hin, dass wir am Tag zuvor mit unseren real existierenden PÀssen bereits online eingecheckt haben.
„Ist ja alles da. Schauen Sie bitte mal ins System. Meine Frau ist bereits registriert.“
Doch das ist leider zu wenig. „Selbst wenn wir sie so durchlassen wĂŒrden, kommen sie in Tunesien nicht ins Land.“
Den Ball hat sie mir knallhart und mit voller Wucht wieder zurĂŒck in meine SpielhĂ€lfte geschossen. Volley.
Mist! Und jetzt?
Wo kann er denn nur sein? Noch im Auto, das 15 Minuten entfernt vom Flugplatz in einem immerhin halbwegs bezahlbaren Parkhaus steht?
Wir ziehen uns mit unserem GepÀck erstmal aus der Schlange und breiten uns im Hauptgang aus. Ich krame alles aus meinem HandgepÀck, auf ein Happy End hoffend. Nichts.
Ich mache meinen Koffer auf, hole alles raus. Der Boden ist bedeckt von BĂŒchern, kurzen Hosen und T-Shirts. Die Kinder buddeln mit drin rum. Ich muss sie stoppen, sonst kann ich hier gar nichts finden. WĂ€hrend die Zeit uns davon lĂ€uft.
Meine Frau bleibt erstaunlich ruhig. Das muss ich ihr hoch anrechnen. Sie hĂ€tte jeden Grund, jetzt an die Decke zu gehen und mich rund zu machen. SchlieĂlich war ich verantwortlich.
Aber alles, was jetzt zÀhlt, ist, irgendeine Lösung zu finden. Egal wie.
Wir mĂŒssen uns jetzt blitzschnell entscheiden, doch das ist unter diesem Druck verdammt schwer. Mir lĂ€uft der PanikschweiĂ nur so runter. Ich versuche krampfhaft, ruhig zu bleiben. SchuldgefĂŒhle voll aufgedreht.
Schauen wir also kurz auf unsere Möglichkeiten.
- Option 1. Wir bleiben zusammen. Wir schauen im Auto, ob er da ist, finden ihn bestenfalls – und nehmen einfach einen spĂ€teren Flug.
Nachteil: Was, wenn er nicht im Auto ist? Was, wenn er noch in der Wohnung in Rostock liegt? Und was, wenn er ganz weg ist, irgendwo auf dem Weg verloren?
Das wĂŒrde bedeuten, dass wir uns ein Hotel in Berlin nehmen mĂŒssten, bei 5 Leuten bist du da mit 500-700 ⏠locker dabei. Dann 5 neue Flugtickets. Wir hatten pauschal gebucht, aber die FlĂŒge jetzt einzeln neu zu buchen, wĂŒrde weiĂ Gott nicht billig. Und ich wĂŒsste gar nicht, ob in KĂŒrze ĂŒberhaupt verfĂŒgbare FlĂŒge ab Berlin buchbar wĂ€ren. Also nicht so verlockend die Option.
- Option 2. Ich checke mit den Kids ein, meine Frau rast mit dem Taxi zum Parkhaus und scannt das Auto. Sie findet den Pass, donnert zu uns zurĂŒck und schafft hoffentlich unsere Maschine noch.
Nachteil: Was, wenn sie ihn nicht finden kann? Dann mĂŒsste sie zum Ordnungsamt, um sich einen Ersatz ausstellen zu lassen. Doch heute ist Freitag und wir haben schon kurz vor 11. Das bedeutet, sie könnte frĂŒhestens Montag zum Amt und ich bin mir nicht sicher, ob sie so schnell ĂŒberhaupt einen Passersatz bekĂ€me. Dauert ja schlieĂlich alles in good old germany. Was also, wenn ich nun mit den drei Kindern allein in Tunesien sitze und schwitze und meine Frau nicht kommen kann? Dann wĂ€re das fĂŒr uns auch kein Urlaub, den wir haben wollen. Den wir genieĂen könnten. Ganz im Gegenteil.
Gibt es noch eine dritte Option? Etwas, das ich ĂŒbersehe?
Nicht wirklich. Eine Entscheidung muss her.
Im Trubel des Flughafens am Terminal 1 schaue ich zu meiner Frau.
Ich fĂŒhle mich schrecklich.
Die Zeit steht fĂŒr 1 Sekunde still.
Wir sind uns – Gott sei Dank – einig und wĂ€hlen Tor 2.
Also los!
Jetzt zĂ€hlt jede Minute.Â
Meine Frau rennt mit einem Affenzahn zum Taxistand.
Ich mit den drei Kindern, 5 groĂen Koffern und dem HandgepĂ€ck zurĂŒck in die Schlange. Wir sind jetzt die Letzten. Wieder angekommen bei unserer Schalterdame erklĂ€re ich unser Dilemma, doch sie zuckt nur teilnahmslos mit den Schultern. Was soll sie auch machen? Passiert wahrscheinlich hundert Mal am Tag. Nur uns eben nicht.
Den Kindern, die maximal verwirrt sind, sage ich: „Mama ist gleich wieder da“, wĂ€hrend ein weiteres Problemchen entsteht.
Ich darf den groĂen Koffer meiner Frau nicht einchecken. Aber warum? Wir sind doch alle online hinterlegt?Â
„Wenn ihre Frau nicht da ist, kann ich auch ihren Koffer nicht nehmen!“
Na das habe ich jetzt gebraucht. Was also tun?
Hier lassen? No way!
Meine Frau sitzt wĂ€hrenddessen in einem Taxi auf dem Weg zu unserem Parkhaus, hat nur ihre Bauchtasche bei sich mit Handy und Portmonee. Der Rest ist bei mir. Doch ihr Koffer, den neben mir steht, muss unbedingt eingecheckt werden, denn darin befinden sich nicht nur die Urlaubssachen meiner Frau, sondern auch lebenserhaltende Ladekabel und âtotal wichtigerâ Kosmetik Kram. Das Ding muss also mit. Koste es was es wolle. Apropos.
Mir wird eröffnet, dass es noch eine Möglichkeit gibt. Ich könnte ein paar Scheine hinlegen, dann ginge das. NatĂŒrlich. Cash rules everything around me. Was solls. Hauptsache, meine Frau kommt gleich. Ich zahle zĂ€hneknirschend einhundertfĂŒnfundzwanzig Euro (!) ab. Was kost` die Welt? đ€
Ich schaue alle 5 Sekunden rĂŒber zu den TĂŒren, aber von meiner Frau keine Spur.Â
Die Koffer sind nun abgegeben. Wir bekommen 4 Bordkarten. Ich erklĂ€re der Schalterdame: „Meine Frau ist gleich da.“ „Sie muss sich aber beeilen. Wir schlieĂen den Check In in 15 Minuten!“Â
Ich stehe völlig neben mir. Wie meine Kinder – die mich pausenlos mit Fragen von der Seite löchern:
âWas ist mit Mama?
Kommt sie noch?
Gibt’s was Neues?â
Ich weiĂ es doch auch nicht.
Die Urlaubsstimmung ist an diesem Punkt komplett weg.
Dann eine Sprachnachricht von meiner Frau.
Im Auto ist er NICHT!
Aber der Taxifahrer hat noch eine Idee. âSprecht die Bundespolizei an. Die stellen euch ein Ersatzdokument aus. Machen die immer. Passiert dauernd.â
Ich schmeiĂe mir die HandgepĂ€ck RucksĂ€cke ĂŒber, nehme an jede Hand ein Kind, behalte die dritte Tochter im Auge – und suche den Weg zu unserem Gate. Irgendwie bin ich aber gerade total ĂŒberfordert und finde den Weg nicht.
Wir sind extra um 5 aufgestanden und um 6 losgefahren, um 2,5 Stunden eher am Airport zu sein, aber jetzt wird es sogar noch knapp.
Vor einer Stunde saĂen wir noch alle gut gelaunt im Auto. Mit der Vorfreude auf den Urlaub in einem fernen Land, auf einem anderen Kontinent. Pools, Baden, Leckereien. Alles, was einen Urlaub fĂŒr Kinder schön macht. Und jetzt ist die Mama weg. Eine Katastrophe.
Wir finden den Weg schlieĂlich und gelangen immer tiefer in die Hallen des Flughafens. Die Kinder merken langsam: Mama kommt nicht wieder. Ich versuche, sie zu beruhigen.
âMama kommt nach. Mit dem nĂ€chsten Flieger. Alles gut. Kein Problem.â
Schön wĂ€r’s.
Insgeheim fĂŒrchte ich, dass der Pass nicht gefunden wird. Im Auto ist er ja nicht. Wo ist das Scheissding? Ich schicke ihr eine Sprachnachricht. „Ruf TUI an. Die helfen dir.“ Doch wer sein lokales ReisebĂŒro erreichen will, der landet heutzutage wo? Richtig. In der zentralen Hotline.
Ich stehe mit den Kindern in der nÀchsten Schlange. Es geht zum Sicherheitscheck und plötzlich steht da hinten ein Bundespolizist.
„Können Sie meiner Frau bitte ein Reisepass-Ersatzdokument ausstellen?“
„Das können wir machen.“
âWirklich? Gott sei Dank. Mir fĂ€llt ein Stein vom Herzen.â
„Wo genau soll es denn hingehen?“
„Nach Tunesien.“
„Ach ins auĂereuropĂ€ische Ausland. Da können wir leider nichts tun. Sorry.“
Damn it!
Das kleine HoffnungspflÀnzchen.
Einfach so zertreten vor unseren Augen.
Also weiter zu unserem Bereich. Eigentlich brauche ich jetzt dringend einen Kaffee, aber keine Zeit. Bei uns ist bereits Aufbruch an C07. Boarding in progress!
Stress pur.
Die Kinder sehen mir an: Vater ist ziemlich durch den Wind. Dazu hat die GroĂe auch noch durchgemacht, um nicht frĂŒh aufstehen zu mĂŒssen. So in etwa fĂŒhle ich mich auch gerade. Innerer Akku nur noch bei 12 %.
Wenn ĂŒberhaupt.
WĂ€hrend wir durch die Menschenmassen eilen, versuche ich, Updates von meiner Frau einzuholen. Ihr Vater durchsucht unsere Wohnung bereits. Aber er kann einfach nichts finden. Es ist wie verhext.
Ich zweifle schon an mir. Hatte ich doch gestern noch die ReisepÀsse in der Hand, am Schreibtisch. Wo ist dieser verdammte Pass? Doch irgendwo im Koffer? Was, wenn ich nun mitnehme und meine Frau ihn in Deutschland braucht? Horror.
Wir haben auch noch nichts gegessen, fĂ€llt mir auf. Als wir heute frĂŒh in Rostock losfuhren, hatte natĂŒrlich noch niemand Appetit. „Gibt gleich im Flugzeug einen Snack“, versuche ich die Stimmung der Kinder aufzuhellen. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiĂ: Es wird nichts geben auf dem 3-Stundenflug.
Immerhin sitzen wir alle in einer Reihe, haben 2 x 3 Sitze fĂŒr uns. Ich sitze am Gang. Links und rechts von mir die Kids. Die GroĂe pennt sofort ein. Kein Wunder. Die anderen beiden schauen sich ein Buch an. Die Mittlere macht es groĂartig und liest der Kleinen vor. Ich sitze wie bedeppert dazwischen. FĂŒhle mich wie im falschen Film. Ohne Frau und ohne Plan, wie es nun werden wird. Ich bete und bitte Gott um Hilfe. Lass es irgendeinen Weg geben.
Knapp 3 Stunden spĂ€ter landen wir in Monastir, der Hafenstadt im SĂŒden des Golfs von Hammamet. Ein GefĂŒhl zwischen: Ich will zurĂŒck nach Deutschland und ich will mit meinen vier Damen in den Urlaub. Hin und hergerissen. Wir stehen in der Schlange zur Passkontrolle. Erstmal den Flugmodus ausschalten. Vielleicht gibtÂŽs News aus Berlin.
Ich werde im tunesischen Mobilfunknetz willkommen geheiĂen. TatsĂ€chlich, eine neue Nachricht. Meine Frau hat geschrieben. Sie haben ihn gefunden! Praise the lord! Jetzt wird alles gut.
Wir werden zum Hotel geshuttelt und ich erfahre, dass ihr Vater den Pass doch noch gefunden hat. Unter der Tastatur auf meinem Schreibtisch, nachdem er eigentlich schon aufgegeben hatte. Freundlicherweise hatte er ihn nach Berlin zu meiner Frau gebracht, damit sie schnell nachkommen kann. Nur leider geht heute nichts mehr. Jedenfalls nicht von Berlin aus.
Meine Frau entscheidet sich fĂŒr den nĂ€chsten Flieger, der am nĂ€chsten Morgen abheben soll. Allerdings von MĂŒnchen. Also schnell ein neues Flugticket buchen, am besten inklusive Bahnticket. Das Problem: Die Kreditkarte ist bei mir und das PayPal Passwort leider auch. Nur dass ich ihr es leider nicht mitteilen kann, weil ich ja offline ein paar Tausend Meter ĂŒber dem Meeresspiegel rumfliege. Was sie auf ihrer Reise erleben wird, stellt meine Reise mit den Kids noch in den Schatten, was den Stresspegel angeht.
Am Berliner Bahnhof muss sie sich erstmal vor einem aggressiven Junkie verstecken, der auf sie zukommt. Nach dem Schreck schaut sie auf ihr Handy, was kurz davor ist runterzufahren. Akku Trouble. Doch wenn das Handy aus ist, kann ihr Vater sie nicht erreichen, um ihr den Pass zu geben. Also schnell irgendwo ein LadegerÀt organisieren. Dann in den Zug springen, der irgendwann nach Mitternacht am Hauptbahnhof ankommen soll, wo sie dann noch in die S-Bahn zum Flughafen umsteigen muss.
So der Plan.Â
Doch die Bahn nach MĂŒnchen hat natĂŒrlich VerspĂ€tung. Eine ganze Stunde. Verdammt. Der Zeitplan kommt ins Stocken. Nach 1 Uhr nachts kommt sie am Bahnhof in MĂŒnchen an und erfĂ€hrt von einem groĂen Polizeieinsatz. Die S-Bahnen Zum Flughafen fallen aus. WTF? Sie steht am Gleis und wartet. Mit einmal soll wieder etwas gehen. Und dann wird wieder alles abgesagt. Ein fĂŒrchterliches Hin und Her nach einem beispiellosen Tag, der freudig um 5 im hohen Norden begann und jetzt im Vorhof der Alpen noch immer kein Ende in Aussicht stellt. Denn ein Hotelzimmer hat sie sich gar nicht gebucht, wie ich spĂ€ter erfahre.
Geschlagene zwei Stunden muss sie nachts am dunklen Bahnhof auf die Zubringer-Bahn warten. Völlig entkrĂ€ftet erreicht sie gegen halb 4 endlich den Flughafen. Nur mit ihrer Bauchtasche, dafĂŒr aber mit der Vorfreude, bald bei uns zu sein. In Afrika. Sie schlĂ€gt sich die kurze Horrornacht um die Ohren und kommt dann um 5 zum Check In ihres Fluges, der immerhin planmĂ€Ăig um 8 startet.
Meanwhile in Sousse, Tunesien.
Die Sonne brennt. Die Haare liegen.

Wir erreichen am Freitag Nachmittag unser Hotel und beziehen unsere Familiensuite.
„Endlich angekommen“,
denke ich noch, als ich feststelle,
dass es in einem der beiden Schlafzimmer bestialisch stinkt.
So als ob man ein offenes Fenster zu einer Autobahntoilette geöffnet hÀtte.
ZurĂŒck zur Rezeption: âWe gotta move!â
Hilft dann auch nicht, wenn man nach so viel Stress im Land der Palmen ankommt, aber die halbe Wohnung nach ScheiĂe stinkt.
Die Rezeption spielt ĂŒberraschend problemlos mit. So als ob sie schon fast damit rechnet, dass einige die Stinker Suite zurĂŒckgeben. Wahrscheinlich machtÂŽs ein gewisser Prozentsatz doch und daher spielen sie das Spiel weiter. Erinnert mich an Spam Mails. Der Ă€ltere Herr meint nur âKein Problem!â und schaut mich mit einem kĂŒnstlich aufgesetzten LĂ€cheln an, das mich triggert. Er könnte sich auch mal entschuldigen, aber gut. Ich beruhige mich.
WĂ€hrenddessen bekomme ich eine Nachricht vom Mobilfunkanbieter. 60 ⏠wĂ€ren dann jetzt verbraucht. What? Nach zwei Stunden Whatsapp? Ich höre noch, wie unsere groĂe Tochter mit ihrem Freund telefoniert, der gerade auf Mallorca ist. Ich will noch rufen: âStoooooop!â Aber zu spĂ€t: Auch sie bekommt die gnadenlose 60er Nachricht.
Also bei allen GerĂ€ten sofort die Mobilfunkdaten aus. Zum GlĂŒck gibtÂŽs ja noch Wifi. Also kurz mal durchatmen. Aber weit gefehlt. Ein lauter Aufschrei ertönt aus dem hinteren Schlafzimmer der neuen Suite.
âPapaaaaaaaa!â
âJaaaaaaaaaaa?â
âKomm schnell!â
Ich bekomme schon Angst, dass sie sich verletzt hat und eile zu ihr.
âWas denn los, Schatz?â
âES GIBT HIER KEIN WLAN!â
Sie ist völlig aufgelöst und den TrÀnen nahe.
âDoch dochâ, versuche ich sie zu beruhigen. âDer Rezeptionist hat es mir beim Ankommen gezeigt.â Aber auch ich bekomme nichts rein. Nicht mal das Netzwerk wird angezeigt. K2 und K3 sind unterdessen bereits umgezogen, stehen in Badesachen vor mir und schauen mich erwartungsvoll an: âKönnen wir, Papa?â
Sekunde bitte. Papa muss hier kurz deeskalieren, denn K1 bekommt einen Nervenzusammenbruch der Kategorie âBitte anschnallenâ. Wie soll denn das Leben im Urlaub auch ohne Internet funktionieren? In einem All Inclusive Club mit zig Pools und eigenem Strandzugang am Mittelmeer. Ist ja eine Katastrophe! Irony off.
Ich also wieder zur Rezeption, wo der Ă€ltere Typ mit dem kĂŒnstlichen Smile mich einen Tick direkter darauf hinweist, dass wir ja das WLAN im Rezeptionsbereich nutzen können. Was alle 2 Minuten zusammenbricht.
Ich weise wiederum darauf hin, dass wir dringend WLAN im Zimmer brauchen. Aber da geht leider gar nichts. Unserer GroĂen wird langsam alles zu viel. Kein Internet, um mit dem Freund zu schreiben, alles zu warm und zu fremd. Und keine Mama in Sicht. Es ist mittlerweile 17:30 Uhr und wir haben immer noch nichts gegessen. FĂ€llt uns gerade auf.
Ich drehe mit K1 und K2 eine Runde, um die Anlage zu erkunden. K1 bleibt zurĂŒck, traurig, ĂŒberfordert. „Ich will nach Hause.“ Und sie meint es ernst. Will auch nicht mit zum Abendessen kommen. Was soll ich tun? Sie weinend in ihrem Zimmer zurĂŒcklassen? Das sind dann die Momente, die mich als Vater an meine Grenzen bringen. Sie lĂ€sst sich einfach nicht beruhigen. Und die anderen beiden wollen essen. VerstĂ€ndlich.
Irgendwie schaffe ich es dann doch, alle drei zu mobilisieren. Das hĂ€tte Mama sicher schneller hinbekommen.Â
WĂ€hrenddessen schwebt meine Frau irgendwo zwischen Berlin und MĂŒnchen. Was fĂŒr ein Urlaubsstart. HĂ€tte ich das vorher gewusst, ich hĂ€tte gesagt: Wir bleiben Zuhause, gehen jeden Tag essen und mieten uns einen Strandkorb. Feierabend. End of story.
Aber jetzt sind wir in Tunesien. Und machen das Beste draus. Versuchen zu retten, was zu retten ist. DrauĂen sind 30 Grad. Innen rattert die Klimaanlage. Ist nicht das neueste Modell. Nachts bekomme ich Halsschmerzen. Ich muss das Ding ausmachen, bevor ich krank werde. Denn das kann ich nun gar nicht gebrauchen.
Langsam wird es hell. Meine Frau steigt gerade in MĂŒnchen in ihren Alternativflieger und trĂ€gt noch eine groĂe Sorge in sich. Man hat ihr gesagt, dass es Probleme geben könnte in Tunesien, weil sie ja den offiziellen Hinflug nicht angetreten sei. Somit wĂŒrde auch der dazugehörige RĂŒckflug verfallen. Und dazu könnte es sein, dass man in Monastir kritisch nachfragt, warum sie nur einen Hinflug gebucht hat. Erschwerend kommen die seit der Schulzeit kaum trainierten Englischkenntnisse. Und ich bin weit weg und kann nicht helfen.
Am Vormittag landet sie sicher auf unserem Kontinent. Erleichtert, aber auch geschlaucht wie selten in ihrem Leben. Ein Fahrer unseres Hotels steht mit einem groĂen Schild am Airport und bringt sie dann zu uns. Ich warte bereits mit den Kindern drauĂen am Parkplatz.
âDa kommt sie.â
ruft die JĂŒngste euphorisch.
Wir laufen dem Shuttle entgegen. Sie hat es tatsĂ€chlich geschafft. Langsam steigt sie aus. Bei sich nur ihre Bauchtasche. So wie sie gestern Mittag in Berlin aus dem Flughafen zum Taxi gelaufen war.Â
ĂberglĂŒcklich schlieĂen wir sie in unsere Arme.
Jetzt kann der Urlaub beginnen.
Ende.

Und dann haben wir wirklich noch ein paar schöne Tage.
Auch wenn Spannungen immer dazugehören beim Familienurlaub.
Meiner Frau bin ich unheimlich dankbar, dass sie meinen fatalen Fehler so einfach verziehen hat. Ich habe auch was draus gelernt.
Ab jetzt gibtÂŽs immer einen Doublecheck bei PĂ€ssen.
100 Prozent.

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Nachtrag 1
Eine Woche spÀter der Tag des Abflugs.
âHast du die PĂ€sse?â fragt sie mich ernst.
âJa, habe ich, Schatz. Alle da, habÂŽs dreimal gecheckt.âÂ
âOk, dann bin ich ja beruhigt.â
Sie schaut mir in die Augen und sagt:
âDanke, aber ich hĂ€tte meinen gern bei mir.â
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Nachtrag 2
Als wir wieder in Deutschland landen, zu fĂŒnft, lassen wir uns mit unserem GepĂ€ck zu unserem Parkhaus rĂŒbershuttllen. Dort angekommen steigen wir ins Auto und fahren los. „Gib mal bei Google Maps die Roue ein“, bitte ich meine gebrĂ€unte Beifahrerin. Meine Frau schaut auf ihr Handy und blickt danach seltsam zu mir. Kein Internet.
Wie sich spĂ€ter in Rostock am Tag darauf herausstellen wird, hat der Provider uns eine High Spend Sperre reingehauen. Meine Frau, unsere groĂe Tochter und ich haben einen Trio Vertrag und dieser Account wurde komplett geblockt, weil eine/r von uns dreien scheinbar so frustriert von der Wifi Situation im Hotel war, dass die mobilen Daten (heimlich) wieder angestellt wurden. Das hat dann Kosten in GröĂenordnung verursacht, was wiederum den Mobilfunkanbieter veranlasst hat, unsere Phones zu sperren.
Nun fahren wir irgendwo sĂŒdlich Berlins durch Brandenburg ohne Internet. Jemanden anrufen geht auch nicht. Wir fahren auf die Autobahn Richtung Hamburg, das sollte passen. Doch dann eine Vollsperrung und Umleitung in Richtung Berlin City. Das ist gar nicht gut. Wir fahren und fahren auf einer 3-spurigen, die dann zur vier-spurigen Bahn wird. Hier ohne Maps? Schwierig. Aber nach den Strapazen der Anreise kann uns nun dieses nun nicht mehr beeindrucken. Ich finde irgendwie einen Weg aus dem GroĂstadtdschungel und bringe uns wieder auf den Highway. Drei Stunden spĂ€ter sind wir endlich wieder zu Hause in Rostock. NĂ€chstes Jahr machen wir was Ruhiges mit kurzer Anreise. đ
The very end.
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Was fĂŒr Pleiten, Pech und Pannen sind euch bei eurem Sommerurlaub schon passiert? SchreibtÂŽs mir in die Kommentare.
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Seit mehr als 20 Jahren erzĂ€hle ich Stories. Erst in der Musik. Dann im Social Media Marketing und spĂ€ter auch in der internen Kommunikation. Seit 2018 kuratiere ich inspirierende Stories bei mir im NEW WORK CHAT PODCAST. Nun teile ich die wichtigsten Lektionen ĂŒber ein authentisches und aufmerksamkeitstarkes Storytelling fĂŒr euch in meinem neuen Newsletter. Abonniert ihn hier: https://gabrielrath.substack.com/ PS: Supportet mich gern als Paid Subscriber. Thx!
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AuĂerdem habe ich ein neues Storytelling Sparringsprogramm aufgelegt, das sich an FĂŒhrungskrĂ€fte, Unternehmer:innen und GrĂŒnder:innen richtet. Ich helfe euch dabei, eure Positionierung neu fokussieren und eine Story zu erzĂ€hlen, die euch sichtbar macht und dabei hilft, eure Ziele zu erreichen. Bucht euch jetzt hier eure kostenlose erste 60 Minuten-Session in meinem Kalender ein.
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Dort gehen wir schon auf eure ersten Fragen ein und klĂ€ren, wie ich euch weiter unterstĂŒtzen kann. Freue mich auf euch.
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