Vorgestern wurde meine mittlere Tochter 8 Jahre alt.
In einer ruhigen Minute dieses aufregenden Tages unterhielten wir uns über die Zukunft und ich fragte sie, was sie mal werden will, wenn sie groß ist.
Ich dachte zurück an die Zeit als ich 18 war und selbst vor der Frage stand, welchen Weg ich einschlagen sollte. Nach meinem Abitur 1998 hatte ich zum Glück noch ein Jahr Bedenkzeit.
Während die meisten meiner Kumpels für 12 Monate zur Bundeswehr gingen, um dort was auch immer zu tun, war für mich immer klar, dass das nichts für mich war. Zivildienst schien mir irgendwie sinnvoller.
Ich erinnere mich noch an den Moment, als ich in der Küche meiner Eltern saß und meine Wehrdienstverweigerung schrieb.
Handschriftlich natürlich.
Meine Mutter war gelernte Krankenschwester und arbeitete in Warnemünde, dem Teil Rostocks am Meer, in dem ich aufgewachsen war, seit vielen Jahren in der mobilen Altenpflege bei einer Caritas Sozialstation.
Daher kam ich auf die Idee, meine Zeit als Zivi in einem Altenheim zu absolvieren. Kaffee und Kuchen ausgeben, mit Senioren im Park spazieren gehen und früh am Nachmittag wieder zu Hause sein.
Das war der Plan.
Doch es kam anders.
Ich bekam eine Absage und bewarb mich kurzerhand im benachbarten Plattenbauviertel Groß-Klein um eine Stelle als Zivi.
Was mir jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz klar: Ich hatte mich nicht bei einer luxuriösen Seniorenresidenz beworben, in der ältere Menschen entspannt Schach oder Bingo spielen wie in amerikanischen Vorabendserien.
Ich war im Begriff, bei einem Altenpflegeheim anzuheuern.
Mit Betonung auf Pflege.
An meinem ersten Tag im Wohnbereich 6, und das werde ich nie vergessen, traf mich der stechende Uringestank so hart, dass ich am liebsten wieder rückwärts rausgelaufen wäre. Doch ich blieb.
Was ich in den folgenden 13 Monaten erlebte, erweiterte nicht nur meinen Horizont um Lichtjahre, sondern brachte mich auch an meine physischen und psychischen Grenzen.
Morgens um 6 begann der Frühdienst mit einer Übergabe der Nachtschicht. Ich musste also um 5 aufstehen, was schon deswegen schwer fiel, weil ich mit einem gewissen Herrn Laciny, damals noch unter dem Kampfnamen Sload unterwegs, bis in die Nacht hinein in meinem „Kinderzimmer“ Texte schrieb und rappte.
Da existieren btw noch sehr unterhaltsame Kassetten, auf denen wir unsere Crew „Warn Direct“ rapmäßig repräsentierten. Exakt 20 Jahre feierten wir dann sozusagen das Jubiläum im ausverkauften Ostseestadion.
Aufgrund dieser ganzen Sprechgesangssache war ich natürlich morgens nicht unbedingt ausgeschlafen, schaffte es aber fast immer, pünktlich auf der Matte zu stehen, um dann das zu tun, was einige meiner Freunde abfällig „Urinkellner“ nannten.
Man könnte allerdings auch sagen, ich war ein Allrounder. Zu den leichteren Aufgaben zählten Küchendienst, Mitarbeit in der Wäscherei und Reinigung der Zimmer.
Ans „Eingemachte“ ging es jedoch bei einer anderen Aufgabe, die mich extrem aus meiner Komfortzone herausforderte.
Wir hatten bei uns sehr viele sehr alte Leute, die teilweise bettlägerig waren. Nicht wenige schienen von ihrer Familie in diese „Endstation des Lebens“ abgeschoben worden zu sein. Auch mit den Besuchen der Angehörigen sah es oft sehr mau aus. Traurig, aber wahr.
Dazu hatten wir auch Bewohner im mittleren Alter, die durch persönliche Krisen in den Alkoholsumpf geraten und dort sprichwörtlich ertrunken waren.
Schon am zweiten Tag war ich für den Waschdienst am Morgen mit eingeteilt und durfte sozusagen mit an die Front. Das war wirklich schwer für mich, denn als softer Abiturient hatte ich bisher weder Windeln gewechselt, und schon gar nicht von älteren Menschen, die teilweise im Wachkoma lagen, noch den Tod so hautnah erlebt.
Ich spürte allerdings sehr schnell eine wahnsinnige Sinnhaftigkeit bei dieser Arbeit, wie ich es später nie wieder erlebt habe.
Durch die Dankbarkeit der Bewohner, der Angehörigen und auch meiner Kollegen ging die Arbeit nach einigen Wochen erstaunlich gut von der Hand. Es gab sogar einen Moment nach 9 oder 10 Monaten, da war diese Arbeit für mich als Job vorstellbar.
Doch ich wollte irgendwas mit Medien machen, kam über den Rap zur Social Media Kommunikation und über zwei Abstecher nach Darmstadt und Hamburg zurück nach Rostock.
Ich startete meinen Podcast „New Work Chat“ und interviewte dabei auch meinen 89-jährigen Opa über das Alt werden und den Sinn einer guten Arbeit. Die Episode wurde einer der meist gehörten und beliebtesten Folgen.
Ich sprach unter anderem mit der wunderbaren Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des Paritäters in Baden-Württemberg, über die Wohlfahrt und Sozialwirtschaft, über die Chancen der Digitalisierung im Allgemeinen und der digitalen Vernetzung im Besonderen.
Mit einmal war das Thema wieder präsent.
Am 1. Januar 2019 fing ich nach einer spannenden Zeit beim roten Riesen als Digitalstratege bei der Digitalagentur MANDARIN MEDIEN an, die bereits für die Wohlfahrt und Sozialwirtschaft arbeitete.
Wir nutzten die Coronakrise konstruktiv und entwickelten mit der moin! App ein Social Intranet, das durch seine intuitive Bedienung und Individualisierbarkeit nicht nur Unternehmen, sondern auch sozialen Vereinen und Verbänden helfen sollte.
Währenddessen gründeten wir MANDARIN Care, eine neue Spezialagentur, die seit dem bei der Digitalisierung im sozialen Bereich unterstützt.
Und jetzt können wir langsam alles sinnvoll zusammenführen, was mich besonders freut. Wir sprechen mit Paritätern, mit DRK, ASB, AWO, mit Diakonien, Volkssolidaritäten, mit Schulen und auch der Kirche – und merken, da ist ein Riesenpotenzial.
Und das ist auch unser Purpose, wenn wir für die Wohlfahrt und Sozialwirtschaft arbeiten. Wir wollen mit unserem Know-how zu Digitalisierung und Kommunikation denen helfen, die anderen Menschen helfen.
Unsere Idee ist es, erst einmal in den Austausch zu kommen.
Daher veranstalten wir am 07. September um 14 Uhr eine Websession, zu ihr natürlich eingeladen seid.
Wir haben zwei spannende Gäste am Start, die für nötige Inspiration sorgen werden. Daniel Hoffmann, Geschäftsführer von MANDARIN Care, und Lucas Söker, Medien-Experte und Geschäftsführer beim Landesjugendpfarramt der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, werden Insights teilen und praktische Tipps geben.
Ich darf das Ganze moderieren und lade euch ein, dabei zu sein und mitzudiskutieren.
Unser Fokusthema ist „Interne Kommunikation für die Wohlfahrt und Sozialwirtschaft“. Ich bin fest überzeugt, dass digitale Transformation einen kulturellen Wandel benötigt, den wir nur mit einer neuen Art der Kommunikation hinbekommen.
Anmelden könnt ihr euch jetzt kostenlos auf unserer Webseite der moin! App.
Ich würde mich freuen, euch zu sehen und mit euch konkrete Schritte zu planen.
Let´s go!
PS: Wer wissen möchte, was meine Tochter nun wirklich werden will, sollte sich die neueste Folge meines Podcasts „New Work Chat“ anhören.
Welche Berührung habt ihr zur Wohlfahrt und Sozialwirtschaft und was müssen wir aus eurer Sicht tun, um die Digitalisierung menschenfreundlich voranzutreiben?